Die Menschen im Westen stellen sich Brasilien gemeinhin als einen „grünen Teppich“ vor, in weiten Teilen bedeckt mit dichtem Regenwald und einem artenreichen Baumbestand, bewohnt von exotischen Tieren in grellem Grün und Gelb, von riesigen Fröschen und seltsam anmutenden Insekten.
Bei meinem ersten Besuch unseres Projektes in Brasilien war ich allerdings überrascht davon, wie sehr die verdorrte Landschaft dort der unseres Projekts in Marokko ähnelt. Das war nicht das Brasilien, das ich aus Bildbänden kannte.
Wir befanden uns an der Ostküste des Landes, einem Teil, der einstmals von üppigem Grün bedeckt war – dem Atlantischen Regenwald. Heute ist die 4.000 Kilometer vom Amazonas-Regenwald entfernte Mata Atlântica, wie sie im Portugiesischen genannt wird, nur noch ein karger orangefarbener Streifen entlang der Küste.
Auf dem Gelb der steinigen Hügel, die sich in Richtung Horizont erstrecken, so weit das Auge reicht, sind nur noch vereinzelt kleine Tupfen von Grün zu erkennen. Bei fast 40 °C im Schatten in den Sommermonaten und immer noch 25 °C im Winter, sind die Folgen der Entwaldung hier besonders beklemmend.
Eine entwaldete Landschaft in Brasilien
Die als „größter landwirtschaftlicher Betrieb der Welt“ bezeichneten brasilianischen Wälder wurden vor allem gerodet, um Weideland für die Viehhaltung und Futteranbauflächen zu schaffen, um die weltweite Fleischnachfrage zu decken. Die Einheimischen machen oft Scherze darüber, dass jedes Rindvieh im Land mehr Platz zur Verfügung habe als ein Bewohner der Megastädte São Paulo und Rio de Janeiro.
Ein Scherz mit bitterem Beigeschmack, da heute nur noch 8 % der ursprünglichen Mata Atlântica übrig sind. Dabei sind intakte Wälder im Landesinneren unverzichtbar, um die Flüsse zu speisen, die wiederum die zusammengepferchten Städter mit Trinkwasser versorgen. Der Atlantische Regenwald – d. h. das, was von ihm übrig ist –, ist das beste Beispiel dafür, warum wir den Amazonas schützen müssen.
Doch wer soll nun die Mata Atlântica retten? Glücklicherweise haben sich einige Organisationen, in denen Bauern, Umweltschützer und engagierte Bürger versammelt sind, zu einer Dachorganisation namens PACTO Mata Atlântica zusammengeschlossen. Und sie haben sich kein geringeres Ziel gesetzt, als jenes, den Atlantischen Regenwald wiederherzustellen.
Es handelt sich um ein echtes Gemeinschaftsprojekt, denn die Organisation setzt sich aus insgesamt 300 Baumpflanzprojekten zusammen, die ihr mit euren Suchen via Ecosia seit über einem Jahr unterstützt.
Im Rahmen einiger Projekte werden Baumsetzlinge unter Aufsicht gezogen, bis sie groß genug sind, in freier Natur eingepflanzt zu werden
Je näher wir den drei Baumschulen der besuchten Projekte kamen, desto größer wurden die grünen Inseln. Ein Beweis dafür, dass der ehemals vollständig verdorrte Boden dank der Bemühungen unserer Baumpflanzpartner der vergangenen zehn Jahre sich tatsächlich nach und nach regeneriert.
Schon bald erfuhren wir, dass dies jedoch nicht nur der harten Arbeit unserer Partner zu verdanken ist, sondern vor allem auch ihrer Liebe und ihrem Verantwortungsbewusstsein für ihre Heimat. Das macht uns zuversichtlich, dass es ihnen gelingen wird, hier vor Ort langfristig etwas zu bewirken.
Nehmen wir beispielsweise Paula. Mit 16 Jahren war sie tief bestürzt vom Anblick der sterbenden Natur um sie herum. Da ihr die Umwelt und Natur schon immer am Herzen lag, überredete sie ihren Freund eines Tages zu einer besonderen Art von Rendez-vous, und so begannen sie, in ihrer Freizeit gemeinsam im Umfeld der Stadt Bäume zu pflanzen.
Als Teenager überredete Ana Paula ihren Freund, bei ihren Dates Bäume zu pflanzen
Schon bald gelang es ihr, auch ihre Schulfreunde für die gute Sache zu gewinnen. „Was macht ihr da?“, fragten die Leute, wenn sie Ana Paula bei der Arbeit sahen. „Wir pflanzen Bäume. Warum macht ihr nicht mit?“, entgegnete Ana Paula dann.
Sobald sie 18 und damit geschäftsfähig waren, gründeten Ana Paula und ihre Schulfreunde Copaiba, ihre eigene Baumpflanzorganisation.
Heute ist auch Copaiba Mitglied von PACTO. Ihr Ziel ist es, Pufferzonen entlang der umliegenden Flüsse zu schaffen. Dadurch sollen die bestehenden kleinen „Waldinseln“ miteinander verbunden werden und natürliche Korridore bilden, die unverzichtbar für den Fortbestand zahlreicher Wildtierarten sind.
Als eine von Frauen geführte Organisation inspiriert Copaiba vor allem auch andere Frauen, sich zu engagieren. Doch nicht nur das Pflanzen von Bäumen, sondern auch Bildung und Aufklärung gehören zu den zentralen Anliegen von Copaiba. Die Organisation hat häufig Besuch von Schülern, denen sie erklärt, wie Samen gesammelt und gelagert werden und wie man einen Baum pflanzt.
Eine wirklich clevere Idee für den Anschauungsunterricht, die sogar unseren Baumpflanzexperten Pieter überrascht hat, war die von Ana Paul und ihrem Team erfundene „Erosionskiste“.
Die Erosionskiste ist das perfekte Beispiel dafür, warum wir Bäume brauchen
Wie auf dem Foto zu sehen ist, wurde eine erste Kiste mit Erde aus der dortigen Umgebung gefüllt. Die Erde war trocken und bar jeder Vegetation. Eine zweite Kiste wurde mit Erde befüllt, diesmal wurden kleine Bäume und Pflanzen hineingesetzt. Als wir Wasser in beide Kisten gaben, waren wir verblüfft von dem, was als Nächstes geschah.
Das Wasser, das aus der bepflanzten Kiste sickerte, war sauber. Offenbar hatten die Pflanzen es über ihre Wurzeln gefiltert und gereinigt. Aus der zweiten Kiste floss das Wasser hingegen braun-gelb heraus. Diese Lektion werde ich nie vergessen.
Ohne Bäume sickert schmutziges Wasser aus der Kiste (links), mit Bäumen fließt es klar heraus (rechts)
Unser Baumpflanzbeauftragter Pieter war ganz fasziniert von der Erosionskiste
Samen von einheimischen Baumarten, die Copaiba auf ihren Flächen pflanzt
Die zu Lehrzwecken gesammelten Samen werden anschließend in den Baumschulen eingepflanzt
Weiter östlich und etwas näher an Rio de Janeiro, haben Mauricio Ruiz und seine Organisation ITPA mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen, das die Mata Atlântica bedroht. Sein 50-köpfiges Team hat sich der gewaltigen Aufgabe angenommen, über eine Strecke von 120 Kilometern einen ganzen Waldkorridor wiederherzustellen, der an der Stadt vorbeiführt.
ITPA hat bis heute bereits mehr als eine Million Bäume gepflanzt, von denen viele auch mit euren Suchen finanziert wurden. Der Schlüssel von ITPAs Erfolg ist Empathie. Mauricio und sein Team arbeiten eng mit den Bauern zusammen, deren Höfe sich im Umfeld des Landes befinden, das ITPA wiederherzustellen versucht.
ITPA nimmt die Sorgen der lokalen Bauern, denen sich nur wenige Alternativen zur Rinderzucht bieten, sehr ernst und ist bemüht, Lösungen in Form alternativer Geschäftsmodelle zu entwickeln. Mit anderen Worten: ITPA unterstützt die Bauern dabei, Wege zu finden, ihren Lebensunterhalt mit ihren Betrieben zu bestreiten, ohne den wiederaufgeforsteten Wäldern Schaden zuzufügen.
Und es funktioniert. So hat die Zahl der bewusst gelegten Brände zu Rodungszwecken klar abgenommen. Je enger Mauricios Team mit den Menschen zusammenarbeitet, desto verantwortlicher fühlen sich diese für die Bäume, und desto größer ist auch ihre Bereitschaft, diese zu schützen und den Behörden Brände zu melden.
„Nosso lar, nossa terra“, was so viel bedeutet wie „unser Zuhause, unsere Erde“ ist das Leitprinzip von ITPA und wird von der gesamten Gemeinschaft gelebt.
Natan (links) und Bruno (rechts) haben mich zu einem der Berge gebracht, auf dem sie Bäume pflanzen, die mit euren Suchen finanziert werden
Während unseres Besuchs in Brasilien hatten wir Gelegenheit, mit einigen Bauern zu sprechen, die uns die Hauptprobleme im Zusammenhang mit der Aufforstung ihrer Grundstücke geschildert haben
Dieses Feld wurde gerodet und abgebrannt, d. h. mittels Feuer und Zurückschneiden von der Vegetation befreit
Doch aufgrund der großen Hürden, die er und seine Leute überwinden mussten, ist Beneditos Entschlossenheit, den Atlantischen Regenwald wiederherzustellen, vielleicht umso bewundernswerter.
Als Quilombola – also Mitglieder eines Quilombo (Gemeinschaften, die sich über Generationen aus Nachfahren ehemaliger afro-brasilianischer Sklaven gebildet haben), mussten er und seine Anhänger sich erst einmal das Recht an ihrem Grundbesitz erkämpfen.
Obgleich dies immer noch für viele Quilombola ein großes Problem darstellt, haben Benedito und seine Leute nie aufgegeben. Knapp 20 Jahre nachdem sie sich auf ihrem jetzigen Grund niedergelassen haben, haben sie bereits große Flächen im Umland aufgeforstet.
Indem sie die Rinderzucht zurückgefahren und sich parallel hierzu verstärkt in der Waldwirtschaft engagiert haben, ist es seinem Quilombo gelungen, bis heute mehr als zehn Hektar Wald wiederherzustellen. Heute ist Benedito stolz darauf, dass die Flüsse langsam wieder mehr Wasser führen und die Qualität des Gemüses, das sie für den Eigenverzehr und den Verkauf auf dem Markt anbauen, immer besser wird.
Benedito umgeben von einigen Bäumen, die er gemeinsam mit den Leuten aus seinem Quilombo gepflanzt hat
Je mehr Bäume, desto fruchtbarer der Boden, und der bringt leckeres Gemüse hervor
Benedito ist stolz, dass die Flüsse in seiner Region langsam wieder mehr Wasser führen
Auch wenn es noch ein weiter Weg bis zur völligen Wiederherstellung des Atlantischen Regenwaldes ist, sind wir zuversichtlich, dass wir gemeinsam nachhaltig etwas bewirken können.
In den vergangenen 20 Jahren hat PACTO Mata Atlântica bereits rund 1.000.000 Hektar Atlantischen Regenwald wiederhergestellt und verödete Landstriche zumindest teilweise wieder begrünen können. Dort sieht der Regenwald bereits wieder aus wie in unseren Bilderbüchern.
Wenn das nicht Hoffnung macht.
Danke, dass ihr das möglich macht, Ecosianer.