Eines haben unsere sehr unterschiedliche Baumpflanz-Projekte doch gemeinsam: nur die Ältesten erinnern sich noch an die üppigen Wälder erinnern, die früher ihre Dörfer umgaben.
Denkt mal darüber nach.
Wenn ihr euch eure Heimatstadt anseht, erinnert ihr euch dann daran, wie viel grüner die Landschaft früher einmal war?
Die Rettung und Wiederherstellung der Wälder ist eng an unsere persönliche Erinnerungen an grünere Zeiten geknüpft oder an unsere Fähigkeit, uns Landschaften vorzustellen, wie sie früher einmal ausgesehen haben mögen. Über die Erinnerung Älterer aber auch dank eines neuen Verständnisses der Zusammenhänge zwischen Wäldern und unserem eigenen Überleben.
Die Wiederherstellung des Bandes zwischen Wald und Menschen ist Saydou Kalagas Lebensaufgabe. Saydou ist zusammen mit Kristoff Leue Leiter von Hommes et Terre, der Partnerorganisation von Ecosia in Burkina Faso.
Saydou und Kristoff sind außerdem Regisseure von The Forest of Djibril (Djibrils Wald), einem fiktionalen Film, der vollständig mit und in den Dorfgemeinschaften produziert wurde, die mithilfe eurer Suchanfragen fast 12 Millionen Bäume in Burkina Faso gepflanzt haben.
Der Film erzählt die Geschichte von Djibril, einem Jungen auf der verzweifelten Suche nach dem Zauberwald, von dem sein Großvater ihm viele Jahre erzählt hat. Wie im Wahn macht Djibril sich auf die Suche nach dem Wald, den es schon lange nicht mehr gibt. Ebenso wenig wie Regen, sauberes Trinkwasser und die Bäume, denen die Menschen einst Nahrung, Medizin und Schutz verdankten.
In gewisser Weise erzählt der Film die Geschichte von Saydou, dessen Großmutter ihm von dem Wald erzählt hat. Es ist eine Geschichte von ca. 2 Milliarden Menschen weltweit, deren Lebensgrundlage unmittelbar von Wäldern abhängig ist und die die größten Verlierer der globalen Zerstörung der Wälder sind.
In diesem Interview erzählen Saydou und Kristoff mir von den Dreharbeiten zu The Forest of Djibril.
Das Interview wurde gekürzt und stellenweise zum besseren Verständnis überarbeitet.
Warum habt ihr diesen Film gedreht?
Wir haben bei unserem Baumpflanz-Abenteuer von Anfang an auf die Macht des Geschichtenerzählens gesetzt. Um Menschen zu überzeugen, muss man ihnen bildhaft zeigen, was man erreichen möchte. Man muss über die Dinge aufklären, die man vermitteln will.
Es fängt bei unserer Arbeit vor Ort an. Wir zeigen den Menschen anhand von Bildern, wie man halbmondförmige Gräben anlegt, wie man Baumsetzlinge zieht und als Dorfgemeinschaft auf ein Ziel hinarbeitet. Geschichtenerzählen funktioniert, weil die Menschen sich dann besser in die Situation hineinversetzen können und es den Erfolg greifbarer macht.
Wir laden jedes Jahr alle Dörfer, mit denen wir zusammenarbeiten, zu einer Generalversammlung in Ouagadougou ein, der Hauptstadt von Burkina Faso. Auf dieser Veranstaltung zeigen wir ihnen Vorher-Nachher-Videos ihrer eigenen Heimat und mit Drohnen aufgenommene Luftaufnahmen der Flächen, die sie selbst wiederhergestellt haben.
Nur ein Beispiel dieser sehr erfolgreichen Technik sind kurze Slapstick-Filme mit kleinen roten und grünen Strichmännchen, die wir letztes Jahr gedreht haben. Der rote Mann (l‘homme rouge) macht alles falsch, überpflügt beispielsweise sein Land, während der grüne Mann (l‘homme vert) alles richtig macht. Die Menschen liebten diese Beispiele, weil sie ihnen halfen, sich abstrakte Konzepte vorzustellen.
Darum nutzen wir bei unserer Arbeit Filme.
The Forest of Djibril erzählt eine sehr persönliche Geschichte aus deinem eigenen Leben, Saydou. Kannst du uns mehr darüber erzählen?
Ja, das stimmt. Für mich lebt der Wald in den Erinnerungen meiner Großmutter. Sie gehört zu den letzten Menschen, die ich kenne, die sich noch daran erinnern können, wie es war, inmitten eines Waldes, eines richtigen Waldes, zu leben.
Heute werden Wälder mit Lichtgeschwindigkeit vernichtet. Einer Schätzung der Vereinten Nationen zufolge stammen 90 % der Migranten weltweit aus Regionen, in denen es keinen fruchtbaren Boden mehr gibt. Kinder legen täglich viele Meilen zurück, damit ihre Rinder genug Futter finden, anstatt die Schule zu besuchen, Frauen müssen Stunden laufen, um Trinkwasser zu holen, und die Männer verlassen ihre Familien auf der Suche nach einem besseren Leben. Die Regenzeit gibt es fast nicht mehr, und wenn es doch einmal regnet, dann schüttet es wie aus Eimern, sodass ganze Dörfer überschwemmt und ihre Ernten vernichtet werden.
Die Geschichten meiner Großmutter, die uns von dem Wald erzählt hat, der meine Familie mit allem Notwendigen versorgt hat, hat den Wald in mir lebendig gehalten, in meiner Vorstellung und in meinem Herzen. Ohne ihre Geschichten würde ich mein Leben nicht der Wiederherstellung des Waldes widmen, wahrscheinlich wüsste ich dann nicht einmal, wie wichtig das ist.
Wir müssen die jüngeren Generationen über die Bedeutung der Wälder aufklären. Wir müssen das Band zwischen Mensch und Natur neu knüpfen, mit eben jenem Boden, der auf der Erde Lebensgrundlage allen Lebens ist.
Wir müssen den Wald in uns wiederentdecken.
Und genau das ist auch die Botschaft des Films...
Exakt. Djibril, der Protagonist des Films, ist eins von vielen Kindern im heutigen Westafrika. Diese Kinder haben noch nie grüne Landschaften oder einen richtigen Wald gesehen. Und genau deshalb existieren diese auch in ihrer Vorstellung nicht.
Darum ist es so wichtig, ihnen diese Geschichten zu erzählen und die Wälder wiederherstellen, an die sich die Alten noch erinnern. Die Alten sind der lebende Beweis dafür, dass auch Westafrika früher grün war. Die jüngeren Generationen müssen erfahren, dass es diese Wälder tatsächlich gegeben hat, und dass wir sie gemeinsam zurückholen können.
Das tun wir bei Hommes et Terre, unter anderem zusammen mit Ecosia. Wir haben den Film als Medium gewählt, um den Menschen in den Dörfern, mit denen wir zusammenarbeiten, unsere Vision buchstäblich vor Augen zu führen.
Zeigen Sie den Film auch in den Dörfern, mit denen Sie in Burkina Faso zusammenarbeiten?
Ja, das ist uns sehr wichtig. Wir organisieren kleine Roadshows für diese Dörfer. Zu den Vorführungen versammeln wir ganze Dorfgemeinschaften, Frauen, Männer, Kinder, Entscheidungsträger aus dem Dorf und sogar Regierungsvertreter.
Die Menschen hier bekommen nicht oft Filme zu sehen, schon gar nicht solche, die sich mit ihrer eigenen Geschichte befassen. Es ist sehr ergreifend, zu sehen, wie emotional die Menschen, von denen der Film handelt (und in dem sie teilweise selbst zu sehen sind), reagieren und wie sehr der Film motiviert, sofort mit dem Pflanzen von Bäumen anzufangen.
Würden Sie sagen, dass Ihre Mission erfüllt ist, wenn die Dörfer den Film gesehen haben?
Nein, ganz und gar nicht! Unsere Mission wird erst erfüllt sein, wenn wir mit unseren Kindern einen echten Wald betreten und ihnen von den endlosen Möglichkeiten erzählen können, die er uns eröffnet.
Wir müssen die Erinnerungen unserer Großeltern wach halten und einen Wald in die Köpfe der Kinder pflanzen. Veränderungen passieren nicht über Nacht. Wir müssen heute aktiv werden für ein neues Morgen.
Der Film ist nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Erschaffung der greifbaren Vision einer besseren Zukunft. Indem wir ihn möglichst vielen Menschen zeigen, hoffen wir, alle Menschen auf der Welt dazu zu inspirieren, den Wald in sich zu suchen. Wir hoffen, dass sie ihre Eltern und Großeltern fragen werden, wie ihre Heimat früher einmal ausgesehen hat.
Hommes et Terre ist unser Baumpflanzpartner in Burkina Faso. Dank des Erfolgs ihrer Baumpflanztechnik konnte die Organisation ihr Projekt auf Mali, Senegal und Côte d‘Ivoire ausweiten.
Bis heute hat Hommes et Terre bereits 25.000 Hektar Land in Westafrika wiederhergestellt, gehört inzwischen zu den größten Aufforstungsorganisationen dieser Region und ist einer der wichtigsten Partner von Ecosia im Kampf gegen die Desertifikation.
Scheut euch „The Forest of Djibril“ an – und entdeckt den Wald in euch.