Wie man mit der Familie über den Klimawandel spricht

Jetzt, wo die Klimakrise tagtäglich Schlagzeilen macht, sind schwierige Diskussionen zum Thema fast unvermeidbar. Darum haben wir eine Therapeutin, einen Wissenschaftler, eine Politologin und eine Psychologin gefragt, wie man dieses Thema am geschicktesten mit Angehörigen bespricht, die möglicherweise einen anderen Standpunkt vertreten als man selbst. Wie kann man diesen oder jenen Onkel, der das Thema an Weihnachten anspricht, zum Umdenken bewegen?

Wir können nicht einfach aufhören fossile Brennstoffe zu nutzen. So geht das einfach nicht. Denk doch mal an all die Arbeitsplätze und das Wirtschaftswachstum.

Antwort von Prof. Dr. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme:

Die Tatsache, dass man Geld verdient und Arbeitsplätze schafft, rechtfertigt nicht automatisch was man tut – das Abfackeln des Regenwalds schafft auch Arbeitsplätze.

Aber schauen wir uns doch mal an wie das mit den Arbeitsplätzen ist. In der deutschen Braunkohleindustrie arbeiten 20.000 Leute — natürlich sind dort viele Arbeitsplätze und Existenzen vorhanden. Auf der andern Seite aber arbeiten in der Windbranche über 100.000 Menschen und in der Solarbranche über 50.000.

Wir haben in den letzten zwei Jahren in der Windbranche jedoch 30.000 Jobs abgebaut, weil wir die Energiewende weitgehend gestoppt haben.

Hier misst man also mit zweierlei Maß: der Arbeitsplatz in den fossilen Energieträgern wird immer als viel, viel wichtiger angesehen als der Arbeitsplatz in den erneuerbaren Energien. Insofern ist das mit den verlorenen Arbeitsplätzen eigentlich ein vorgeschobenes Argument, um das eigene Handeln zu rechtfertigen.

Außerdem schaffen wir bei erneuerbaren Energien viel mehr Arbeitsplätze vor Ort als beim Importieren von Öl, Kohle und Gas.

Aber ich liebe Fleisch! Dann iss welches!

Antwort von Dr. Melanie Joy, Psychologin:

„Das kann ich gut verstehen! Ich kann nachvollziehen, wenn jemand gerne Fleisch isst! Ich habe selbst früher gerne Fleisch gegessen. Tatsächlich habe ich mich das ganze Jahr auf den Weihnachtsbraten gefreut.“ (Oder ein anderes Fleischgericht)

„Ich erkläre dir gerne, warum ich kein Fleisch mehr esse. Aber ich möchte das nicht beim Essen diskutieren, also lass uns in aller Ruhe hinterher darüber sprechen.“ (Man sollte es vermeiden, das Thema Fleischkonsum anzuschneiden, während andere gerade Fleisch essen, weil sie das automatisch in die Defensive drängt)

„Ich esse seit einem bestimmten Ereignis kein Fleisch mehr.“ (Jetzt erzählt man seine persönliche Geschichte. Hierbei sollte man sich kurz fassen und bildhafte Schilderungen leidender Tiere ebenso vermeiden wie Redewendungen, die Angehörige dahingehend interpretieren könnten, dass man sie beispielsweise für „unmoralisch“ oder „ignorant“ hält).

„Ich habe auf Facebook ein Video über die Aufzucht und Schlachtung von Nutzvieh gesehen, und das hat mich einfach nur schockiert und abgestoßen.“ (Oder „Ich habe einen Hähnchenschenkel gegessen und dabei auf eine Vene gebissen. Seitdem ekle ich mich vor Fleisch...“ usw.)

„Ich habe dann recherchiert und herausgefunden, dass Nutztiere (Schweine, Hühner, Kühe usw.) ebenso intelligent und wahrnehmungsfähig sind wie Hunde. Und mir ist bewusst geworden, dass jedes Jahr Milliarden Tiere brutal geschlachtet werden und die Nahrungsmittelindustrie alles tut, um das zu vertuschen.“ (An dieser Stelle kann man ganz nebenbei erwähnen, dass intensive Viehhaltung eine der Hauptursachen für den Klimawandel ist und zudem erhebliche gesundheitliche Probleme bei Menschen verursacht)

„Von da an habe ich Fleisch mit anderen Augen gesehen. Wenn ich jetzt einen Braten auf dem Tisch stehen sehe, sehe ich nicht den Braten an sich, sondern das Tier, das dafür gestorben ist, und das verdirbt mir den Appetit. Vielleicht versteht ihr besser, was ich meine, wenn ihr euch vorstellt, dass der Braten von einem Golden Retriever stammt, der vor dem Braten einen schrecklichen Tod gestorben ist.“

Der Klimawandel ist nicht menschengemacht, das war schon immer so. Manchmal wird der Planet wärmer und dann kühlt er wieder ab. Die Leute übertreiben doch maßlos mit den Gefahren. Es gibt sogar Wissenschaftler die mir Recht geben!

Antwort von Prof. Dr. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme:

Es gibt vielleicht 0,5% der Wissenschaftler*innen, die dem menschgemachten Klimawandel widersprechen; es gibt aber auch ein paar Lungenärzte die sagen, dass Dieselfahren nicht nicht der Gesundheit schaden würde. Solche Aussagen wird man immer finden.

Aber die Fakten sind eigentlich klar. Es stimmt, dass das Klima sich schon immer verändert hat. Zuletzt gab es den Übergang von der Eiszeit zur Warmzeit. Da ist die Temperatur um 3-4 Grad gestiegen.

Damals war Berlin noch von einer 200 Meter dicken Eisdecke bedeckt, die ist dann durch die Erwärmung geschmolzen und der Meeresspiegel deshalb um 120 Meter gestiegen. Solch radikale Veränderungen können durch 3-4 Grad ausgelöst werden.

Wir steuern jetzt durch unseren erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen auf eine Erwärmung von weiteren 3-4 Grad zu. Man kann sich also vorstellen, wie anders die Erde dann aussehen wird.

Seit ca. 10.000 Jahren leben wir in einer relativ stabilen Klimaperiode, die jetzt endet. Der Planet wird das überleben, die Frage ist, ob der Mensch mit diesen Veränderungen zurechtkommen wird. Vor allem weil sie schneller auf uns zukommen, als dass wir uns anpassen können.

Ich mache mir große Sorgen wegen des Klimawandels, weiß aber nicht, was ich konkret tun kann. Die Situation belastet mich sehr, aber ist es nicht sowieso schon zu spät?

Antwort von Rosemary Randall, Therapeutin, Carbon Conversations Project:

Es gibt keine Standardlösung gegen die Angst, die jemand angesichts der Klimakrise empfindet. Es geht vor allem darum, zuzuhören und Mitgefühl und Verständnis an den Tag zu legen.

Man sollte bestätigen, dass derjenige zu recht besorgt ist. („Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen machst“)

Zuhören. Man sollte die Person ermutigen, über ihre Ängste zu sprechen. („Das klingt, als würde dich das ernsthaft belasten...“)

Man sollte anerkennen, dass die quälenden Gefühle durchaus angebracht sind. („Es ist normal, dass man erschüttert ist angesichts der beängstigenden Nachrichten zum Klima...“)

Empathie zeigen. Man sollte der Person helfen, ihre Sorgen in Worte zu fassen. Sollte sie ermutigen, ihren Gefühlen von Trauer und Zorn Luft zu machen. („Ich möchte hören, was du zu sagen hast. Du klingst richtig erschüttert. Es gibt ja auch Vieles, das Anlass gibt, traurig zu sein...“

Echtes Interesse zeigen. Man sollte nachfragen, welches Ereignis die Betroffenheit der Person ausgelöst hat. („Wann hat dich das das erste Mal richtig erschüttert?“)

Nachhaken. Man sollte hinterfragen, inwiefern der Klimawandel die Person persönlich betrifft. („Was glaubst du, inwieweit sich das auf dein eigenes Leben auswirkt? Auf deine Generation. Auf deine Familie. Auf deine Arbeit?“)

Erfahrungen teilen. Wenn man ähnliche Erfahrungen gemacht hat, sollte man diese teilen. („Ich hatte auch damit zu kämpfen“) Hat man keine persönlichen Erfahrungen in dieser Richtung, sollte man eingestehen, dass man vielleicht welche haben sollte. („Wenn ich dir so zuhöre, wird mir bewusst, dass ich vielleicht zu oft einfach weggesehen habe...“)

Zum Handeln ermutigen. Man sollte denjenigen darin unterstützen, Wege zu finden, aktiv zu handeln – auf politischer Ebene, im privaten Umfeld, auf der Arbeit – und ihm bewusst machen, was er alles bewirken kann. („Aktives Handeln führt oft dazu, dass man sich besser fühlt. Die Zusammenarbeit mit anderen kann einem ein Gefühl von Kontrolle und Effizienz vermitteln“)

Verzweiflung und Weltuntergangsstimmung sollte man entgegenwirken. („Niemand kann genau sagen, was passieren wird. Tu etwas, das ist auf jeden Fall richtig. Alles, was du aktiv unternimmst, hält die Negativentwicklung auf“)

Man sollte hingegen keine leeren Phrasen von sich geben oder das Gespräch abwürgen.

Stattdessen sollte man der Person mit Liebe, Hilfsbereitschaft und Solidarität begegnen.

Wie kann ich konkret helfen?

Antwort von Dr. Ayana Elizabeth Johnson, Politologin und Gründerin/CEO von Ocean Collectiv

Wenn man ein Stück Land zur Verfügung hat, sollte man Bäume pflanzen und Nahrungsmittel anbauen. Lege einen Climate Victory Garden an.

Wenn du wahlberechtigt bist, dann gib auf jeder Wahl deine Stimme ab. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen in den USA sind ca. 10 Millionen Umweltschützer nicht zur Wahl gegangen, das hätte locker gereicht, um ein anderes Wahlergebnis zu erzielen.

Wenn du über besondere Fähigkeiten verfügst, nutze sie. Nutze Kunst, um zu informieren und zu inspirieren, setze juristisches Wissen ein für den Kampf für Klimagerechtigkeit, erstelle Websites, um uns bei der Organisation von Aktionen zu unterstützen, koche Mahlzeiten für Aktivisten, organisiere Feiern, um eine Gemeinschaft zu schaffen.

Wenn du Geld oder Arbeitszeit aufbringen kannst für den Zweck, dann unterstütze Gruppen wie Youth Climate Strike, Zero Hour, Extinction Rebellion, und Sunrise Movement. Bevorzuge bei deiner Ernährung und bei der Ernährung deiner Familie Lebensmittel aus biologischem Anbau und solche, die Kohlenstoff dem Boden zuführen, wo er hingehört.

Und wir müssen auch weiterhin mitmachen und unsere Stimmen erheben. Wir müssen unsere Kultur verändern. Also sprecht über den Klimawandel. Mit Freunden, Kollegen, Nachbarn, in der Kirche, in der Schule, beim Sport, innerhalb der Familie. Wir können nur genug Unterstützer mobilisieren, wenn wir uns dieser existenziellen Herausforderung stellen, und zwar gemeinsam, entschlossen und lösungsorientiert, mit fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Empathie.

Das Wichtigste ist, um konkrete Lösungsansätze herum Gemeinschaften zu bilden. Wir müssen eine Koalition bilden, die so mächtig wird, dass sie in der Lage ist, einen Wandel herbeizuführen und wir nicht mehr auf die Straße gehen müssen.

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