Das Gute am Klimaaktivismus: Es gibt keine Regeln – der Kampf um Klimagerechtigkeit findet an unzähligen Orten und auf unterschiedlichste Arten statt. Gleichzeitig erschwert das die Entscheidung für einen bestimmten Weg. Wie kann man aktiv etwas gegen den Klimawandel tun? Was heißt das genau?
Um euch einen Eindruck davon zu vermitteln, was Klimaaktivismus bedeutet, haben wir mit verschiedenen Aktivisten darüber gesprochen, was sie persönlich unter Aktivismus verstehen, was sie selbst im Laufe der Jahre gelernt haben und was sie allen Neulingen raten würden. Beginnen wir mit drei jungen europäischen Aktivistinnen: Talia aus dem Vereinigten Königreich, Adélaïde aus Belgien und Leonie aus Deutschland.
Können diese drei engagierten jungen Frauen euch inspirieren, euch der Bewegung anzuschließen und euch für eine bessere, gerechtere Zukunft einzusetzen?
Talia
Ich heiße Talia Woodin, bin 21 Jahre alt, Fotojournalistin und Aktivistin mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich. Ich habe mich schon sehr früh mit Fotografie und Aktivismus befasst. Da meine Eltern beide sehr engagierte Umweltaktivisten und Politiker der Grünen sind, habe ich bereits als Kind viel rund um das Klima gelernt.
2018 bin ich nach London gezogen, um einen Bachelor in visueller Anthropologie zu absolvieren. Allerdings brach ich das Studium nach einem Jahr ab, als mein Engagement für verschiedene Aktivistenbewegungen wie Extinction Rebellion zu umfangreich wurde, um nebenher noch zu studieren. Nachdem ich einige Zeit in Vollzeit als Medienkoordinatorin für XR gearbeitet hatte, verließ ich die Bewegung, weil Themen rund um globale Gerechtigkeit und Diskriminierung meiner Meinung nach nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Seitdem habe ich als freiberufliche Aktivistin und Fotografin für viele verschiedene Gruppen und Organisationen gearbeitet. Im vergangenen Jahr habe ich hauptsächlich für die Kampagne gegen HS2 gelebt und gearbeitet, einer kontroversen und in hohem Maße umweltschädlichen Hochgeschwindigkeitstrasse, die derzeit im Vereinigten Königreich gebaut.
Adélaïde
Mein Name ist Adélaïde Charlier, ich bin gerade 20 Jahre alt geworden, studiere in Brüssel Politik- und Sozialwissenschaften und bin Umwelt- sowie Menchenrechtsaktivistin.
Ich bin Gründungsmitglied der Umweltbewegung Youth for Climate, die 2019 über 20 Wochen zu Schulstreiks aufgerufen hat. Seitdem beschäftige ich mich jeden Tag mit dem Thema Umwelt, was auch zu einer Veränderung meiner persönlichen Gewohnheiten in Bezug auf Fortbewegung, Ernährung, Konsum etc. geführt hat.
Im Oktober 2019 bin ich zusammen mit etwa 30 anderen jungen Leuten zur 25. UN-Klimakonferenz gesegelt, (die ursprünglich in Chile stattfinden sollte). Wir wollten damit auf alternative Transportmittel aufmerksam machen. Ich bin in Brasilien, in Lateinamerika, von Bord gegangen, wo ich Einheimische kennengelernt habe, die ihre Lebensgeschichte und ihren Alltag mit mir geteilt haben. Damals ist mir erst so richtig bewusst geworden, dass es bei der Klimakrise nicht nur um Treibhausgase geht, sondern auch um Menschenrechte. Wenn wir die einheimischen Bevölkerungen respektieren, respektieren wir auch den Amazonas-Regenwald, der zur Klimaregulierung auf unserem Planeten unverzichtbar ist.
Was habe ich aus meiner Zeit als Aktivistin für mich mitgenommen? Dass wir angesichts der gewaltigen Herausforderung des Klimawandels sehr wohl etwas bewirken können. Und zwar indem wir uns Umweltbewegungen und engagierten Gruppen anschließen und lernen, unser Konsumverhalten zu überdenken (Verzicht auf Fleisch, auf Produkte vom anderen Ende der Welt ...). Mein Aktivismus hat mich gelehrt, dass die Regierungen und Politiker im Grunde Follower der Bürger sind. Es liegt an UNS, ihnen den Weg aufzuzeigen.
Leonie
Ich bin Leonie Bremer, 24 Jahre alt und kämpfe für Gerechtigkeit mit Fridays for Future. Ich habe meinen Bachelor an der Hochschule Rhein-Waal “Environment and Energy” gemacht. Zur Zeit studiere ich im Master “Erneuerbare Energien” an der TH Köln und fange im Herbst meine Masterarbeit an.
Es ist schwer zu sagen, wann ich mit Aktivismus angefangen habe, aber das ist auch irrelevant. Ich habe seit ich denken kann ein besonderes Empathievermögen für Tiere und schwächere Menschen. Daher habe ich in meiner Schulzeit zum Beispiel in einem Altenheim gearbeitet und hatte mit acht Jahren meinen Pflegehund, da sich die Halter*innen nicht ausreichend kümmern konnten. Unumgänglich habe ich mich im laufe der Jahre mit größeren Gerechtigkeitsfragen beschäftigt und wenig überraschend stieß ich dabei relativ schnell auf das Thema Klimagerechtigkeit.
Ein paar Jahre später habe ich angefangen, im Hambacher Wald aktiv zu sein und gegen das Unternehmen RWE zu protestieren, da dieses dafür verantwortlich ist, dass weltweit millionen von Menschen ihre Heimat verlieren und getötet werden. Im August 2018 wurde gesetzlich der Rodungs-Stopp veranlasst und gleichzeitig hat sich Fridays for Future gegründet, was für mich der perfekt Übergang war. Die Art des Protestes von FFF war für mich sehr viel angenehmer, da ich Angst vor Polizeigewalt habe und das im Hambacher Wald leider immer gegeben war. Seit 2018 protestiere ich also mit Fridays for Future und organisiere dort seit Frühling 2019. Bundesweite Sprecherin bin ich seit Sommer 2019 und auch hier gibt es ganz viel zu tun, aber die ganzen Erfolge von Fridays for Future, die große Diskursverschiebung, die wir geschafft haben, sind die größte Motivation, weiterzumachen. Das ist aber nicht ansatzweise so motivierend, wie die Menschen mit denen ich jeden Tag zusammenarbeiten darf. Ich lege bei meiner Arbeit mit Fridays for Future meinen Fokus auf die Arbeit international.
Nach fast 1.5 Jahren Vertrauen aufbauen mit Aktivist*innen aus den, von der Klimakrise am meisten betroffenen Bereichen unserer Welt, habe ich es mit dieser Gruppe geschafft die erste langzeit Kampagne aufzubauen. Diese Kampagne ist sehr besonders, da sie zeigt, wie der Kampf gegen Klimagerechtigkeit aussehen muss. Sie wird von MAPA (most affected people and areas) geleitet und zeigt die Ausmaße einer Bank aus dem Globalen Norden (Standard Chartered), die ihr Business in anderen Ländern macht und dabei Menschen und Ökosysteme vernichtet. MAPA sind die stärksten Kräfte unserer Bewegung. Sie sind direkt von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen, die sie am wenigsten verantworten, und kämpfen trotzdem am aller stärksten dagegen. Wenn wir ein Systemwandel wollen, was wir brauchen um die Klimakrise abzuwenden, müssen wir auf die marginalisierten Stimmen hören und sie zu Entscheidungsträger*innen machen. Andernfalls wird das “neue System” die gleichen Fehler und Ungerechtigkeiten mit sich bringen, wie das was für die Klimakrise verantwortlich ist. Unter Anderem an dieser Kampagne arbeite ich jeden Tag und natürlich zur Bundestagswahl und einigen anderen wichtigen Events dieses Jahres.