Die Ergebnisse der „Selbstbedienungs-kommission“

Die Kohlekomission hat ihre Empfehlungen an die Bundesregierung für Deutschlands Kohleausstieg veröffentlicht. Ecosias COO Dr. Wolfgang Oels hat den Bericht gelesen. In diesem Beitrag erklärt er, was darin steht und warum die Ergebnisse der Komission nicht hinnehmbar sind.

Die “Kohlekommission” wurde von der Bundesregierung ins Leben gerufen, um einen Vorschlag für den Kohleausstieg und Strukturhilfen für die betroffenen Bundesländer auszuarbeiten. Wie später argumentiert wird, ist die Herstellung dieses Zusammenhangs alles andere als zwingend. Besetzt wurde sie in der Mehrheit mit den Vertretern von Partikularinteressen und des Status Quo. So ist das am Wochenende präsentierte Ergebnis auch nicht überraschend: klimabezogen zu wenig zu spät, finanziell ein Selbstbedienungsladen für die Lobbygruppen auf Kosten der Allgemeinheit.

Im Einzelnen empfiehlt die Kommission:

1. Abschaltung von 13 GW in 3 statt 20 GW in 1 Jahr

Die Einhaltung der von Deutschland zugesicherten CO2 Einsparungen erfordert die Stilllegung von mindestens 20 GW der ältesten und schmutzigsten Kohlekraftwerke bis zum 1.1.2020. Dies ist auch technisch kein Problem. Die Einhaltung der Verträge wurde von der Kanzlerin noch vor gut einem Jahr im Wahlkampf explizit versprochen. Daran wird nicht nur sie, sondern auch die ganze CDU sich messen lassen müssen.

2. Kohlekraftwerke noch bis 2038 in Betrieb

Dabei ist nur ein einziger Zwischenschritt definiert: 13 der verbleibenden 30 GW müssen bis 2030 abgeschaltet werden. Von ganz besonderer Bedeutung ist es hier, dass die Politik klare Abschaltvorgaben auf Jahresbasis macht. Dabei kann sie auf die Pläne aus den Jamaika Koalitionsverhandlungen zurückgreifen (bei denen man sich schon auf ein sehr viel aggressiveres Vorgehen geeinigt hatte).

3. 40 Mrd. Euro an Steuergeldern für Strukturhilfen

Ein Coup von Konzernen und Regionalpolitikern, die davon profitieren. Das ist jahrzehntelang nicht möglich gewesen und wird nun der Energiewende in Schuhe geschoben. Rücken wir das Thema in die richtige Perspektive:

In naher Zukunft will EON die RWE Tochter Innogy übernehmen und restrukturieren. Dadurch werden 5.000 Arbeitsplätze wegfallen. Nach Aussagen von EON ist das aber gar nicht schlimm: es beträfe nur 7% der Beschäftigten und im kommenden Jahrzehnt sollen Tausende neuer Stellen geschaffen werden. Warum stellt dann aber der Abbau von 8.000 Stellen in der Braunkohle am Mittelrhein eine nationale Herausforderung dar und rechtfertigt zweistellige Milliardensummen an Steuergeldern?

In Ostdeutschland sind seit 1990 ca. 95% der Arbeitsplätze in der Braunkohle weggefallen. Hier bleibt ebenso unklar, warum der Wegfall der verbleibenden 5% eines nationalen Kraftakts bedarf.

Wie will unsere politische Führung denn mit dem Wegfall von geschätzt 300.000 Arbeitsplätzen durch den Übergang zur Elektromobilität umgehen, wenn für 18.000 Arbeitsplätze bereits 40 Mrd. Euro veranschlagt werden?

Gegengerechnet wird auch weder der häufig anzutreffende Facharbeitermangel, noch der Arbeitskräftebedarf für den Ausbau erneuerbarer Kapazitäten und die Renaturierung der zerstörten Flächen.

Das Thema Strukturwandel ist unabhängig von Klimaschutz und Kohleausstieg und es soll unabhängig davon diskutiert werden. Die Kosten dürfen nicht rufschädigend der Energiewende angelastet werden.

4. Allgemeinheit droht weiterhin, auf Rekultivierungskosten sitzenzubleiben

2017 war klar, dass die Atomkonzerne die Ewigkeitskosten der Atomenergie nicht würden bezahlen können. Auch dort wurde eine Kommission eingesetzt, mit dem Ergebnis, dass von den 48-170 Mrd. Euro Kosten, die Atomkonzerne nur 24 Mrd. Euro tragen werden. Der Rest wird dem Steuerzahler aufgebürdet. Gewinne privatisiert, Kosten verstaatlicht.

Bei der Braunkohle schaut es ähnlich aus: RWE klagt auf Geheimhaltung der Kostenberechnung, die bisher zurückgestellten Gelder sind nicht insolvenzsicher angelegt. Auch die Gutachten des sächsischen Landesrechnungshofs zu den Kosten und Rücklagen der Braunkohle wurden zur Geheimsache erklärt. Der Eigentümer der ostdeutschen Tagebauten, EPH, hat das Geld nicht insolvenzsicher angelegt und kokettiert öffentlich mit der Erpressung, die bisher (!) entstandenen Schäden entgegen geltendem Recht nur dann zu beheben, wenn die Förderung bis 2045 laufen darf. Dabei hat er bei der Übernahme von Vattenfall sogar 2 Mrd. Euro für die Rekultivierung erhalten.

Deutschlandweit müssen die Kostenberechnungen also öffentlich gemacht werden und die erforderlichen Rücklagen in einem Treuhandfonds hinterlegt werden.

5. Gaskraftwerke statt Erneuerbarer Energien?

Der Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung soll weiterhin gedämpft bleiben und bis 2030 einen Anteil von 65% nicht überschreiten. Stattdessen soll es beschleunigte Genehmigungsprozesse für neue Gaskraftwerke geben. Hier muss sichergestellt sein, dass wir nicht vom Regen in die Traufe kommen. Das Ziel einer Vollversorgung durch erneuerbare Energien muss klar formuliert sein, der Ausbau schneller vorangehen. Ob und in welchem Umfang neue, durch fossiles Gas betriebene Kraftwerke notwendig sind, muss von unabhängiger Stelle geprüft werden.

6. Steigende Kosten für CO2 sollen vom Steuerzahler getragen werden

Jahrelang haben die Vertreter von energieintensiver Industrie und Betreibern fossiler Kraftwerke auf den Emissionshandel als „marktwirtschaftlichen“ Mechanismus gedrungen. Jetzt, wo im Rahmen des Pariser Klimaabkommens die Rechte verknappt und damit teurer zu werden drohen, wollen sie die steigenden Kosten auf den Steuerzahler abwälzen. Das ist infam und darf unter keinen Umständen passieren. Das gilt auch für andere Formen der Strompreissubventionierung für Großverbraucher, deren Kosten in der gleichen Größenordnung wie die Strukturmaßnahmen liegen könnten.

7. Unangemesse Entschädigungszahlungen für RWE & Co.

Anders als im deutschen Recht vorgesehen, stellt die Kommission Entschädigungszahlungen für die Stromkonzerne in dem Raum, die weit über den tatsächlich entstehenden Schaden hinaus gehen. Schadensersatz ist rechtlich nur für echten Schaden, also z.B. den Ersatz noch nicht abgeschriebener Investitionen, vorgesehen und explizit nicht für entgangene Gewinne. Auch hier bedienen sich Konzernvertreter über bestehendes Recht hinaus auf Kosten der Allgemeinheit.

Schuld an diesem Ergebnis trägt nicht die Minderheit der Experten und NGO Vertreter in der Kommission, die sich sicherlich mit aller Kraft für die Belange der Allgemeinheit eingesetzt haben.

8. Hambacher Forst

Die Kommission empfiehlt, den Hambacher Forst zu erhalten. Das ist zu unverbindlich. Der Wald ist übrigens nicht nur durch Rodung gefährdet, sondern auch durch das “Grundwassermanagement” der RWE in der Region und die Abbruchkante des schon nahen Tagebaus.

Vergessen dürfen wir auch nicht die immer noch von Abbruch bedrohten Dörfer, wo Tausende von Menschen befürchten müssen, ihre Heimat zu verlieren. Für 120.000 Menschen ist das schon geschehen. Auch hier bleiben die Aussagen der Kommission zu vage.

Unser Fazit: Nicht unerwartet würde der Kohleausstieg nach dem Vorschlag der “Kohlekommission” zu spät, zu langsam und für den Steuerzahler unnötig teuer verlaufen.

Die Bundesregierung bleibt für die endgültige Entscheidung in der Verantwortung, nicht nur, weil sie Auftrag und Zusammensetzung der Kommission bestimmt hat.

Du siehst die Ergebnisse der “Kohlekommission” ähnlich kritisch wie wir? Du kannst etwas tun:

  • Eintritt in und Förderung von Organisationen, die unsere Interessen verfolgen, wie Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe, BUND, Nabu, Client Earth, Campact, attac, etc. Stark werden wir erst, wenn wir uns organisieren.

  • Wechsel zu echten Grünstromanbietern wie EWS Schönau, Naturstrom, Lichtblick oder Greenpeace Energy. Und zwar Zuhause, im Unternehmen und im Verein.

  • Zur Wahl gehen und für Klimaschutz stimmen. Die nächsten Wahlen sind Ende Mai in Bremen und deutschlandweit zum Europaparlament.

Dr. Wolfgang Oels ist Ecosias COO und neben vielen Dingen zuständig für den Bau der Photovoltaik Anlagen, die Ecosias Server Nutzung ausgleichen sollen. Er hat Wirtschaftsingeneurwesen/Elektrotechnik studiert und zum Thema Dezentralisierung der Energieerzeugung promoviert. Nach einer Tätigkeit als Unternehmensberater bei McKinsey&Company, war er viele Jahre in Deutschland und im Silicon Valley in der Solarenergie tätig.

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