Hambi bleibt! - Kein Grund zum Feiern, sagt Peter Wohlleben.

Der Hambacher Forst darf nicht mehr gerodet werden! Das wurde im Januar 2020 durch den Kohlegipfel beschlossen. Ist der Wald damit gerettet? Wir haben Deutschlands wohl bekanntesten Förster Peter Wohlleben befragt. Dessen Bestseller Das geheime Leben der Bäume ist gerade in den Kinos zu sehen ist.

Peter, was ist der Hambacher Forst eigentlich?

Der Hambacher Forst ist zunächst einmal kein Urwald - den gibt es in Deutschland nirgends mehr. Er ist aber ein sehr alter Wald, schon lange nicht mehr bewirtschaftet und deshalb eine Arche Noah für seltene Waldtiere. Zudem ist der Großraum um den Hambi sehr waldarm, was die Inselwirkung des nur zwei Quadratkilometer großen Restwaldes (einstmals 40 Quadratkilometer) verstärkt.

Was macht diesen Wald besonders und warum ist er so schützenswert?

Im Hambacher Wald leben viele geschützte Arten, wie etwa die Bechsteinfledermaus. Sie ist auf Bamhöhlen angewisen, und zwar auf sehr viele. Die Weibchen ziehen ihre Jungen in Gemeinschaften auf und wechseln dazu alle paar Tage die Quartiere. Sie machen dies, um nicht zu stark mit Parasiten wie Milben befallen zu werden. Je weniger Baumhöhlen ein Wald aufweist, desto stärker ist ihr Befall und desto schlechter ihr Gesundheitszustand. Daher war es schlimm, dass RWE 2018 viele Baumhöhlen zukleben ließ.

Du warst selbst vorletztes Jahr im Hambacher Forst bei der großen Kohle stoppen!-Demo. Wie war die Stimmung dort?

Die Stimmung war toll! Es waren alle Generationen vertreten, und es wurde sehr friedlich demonstriert. So etwas habe ich seit den 1980er Jahren, als es um Raketenstationierung und Atomkraft ging, nicht mehr erlebt. Das große Polizeiaufgebot stand im völligen Widerspruch dazu. Das Ende der Kohleverstromung lag in der Luft, und letztendlich haben sich alle Anstrengungen der Aktivisten gelohnt.

Auf der Demo war ein beliebter Slogan “Hambi bleibt!”. Jetzt bleibt er tatsächlich, ist das ein Grund zu feiern?

Noch haben wir keine Grund zu feiern, denn RWE plant, um den Wald herum zu baggern, um angeblich Aushubmaterial zum Verfüllen der Grube zu gewinnen. Dadurch bliebe der Wald inmitten eines Kraters auf einer Art Berggipfel stehen. Das wäre das endgültige Aus für diesen Wald, der schon jetzt mit dem Wassermangel zu kämpfen hat.

Greenpeace hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der sie beschreiben, dass zum Erhalt Hambis dringend eine Pufferzone von Bäumen zwischen Wald und Kohlegrube gepflanzt werden muss, weil die Kohlegrube im Sommer wie ein Ofen alle Feuchtigkeit aus dem Wald zieht. Wie siehst Du das, was muss getan werden, um Hambi als gesunden Wald zu erhalten?

Ein Forscherteam um Prof. Pierre Ibisch hat schon im vergangenen Sommer festgestellt, dass sich die Grube so stark aufheizt, dass aufstiegende Warmluft den benachbarten Hambacher Wald mit aufheizt. Er kann nur überleben, wenn nicht weiter gebaggert wird und um ihn herum eine Art Schutzwald gepflanzt wird, der ihn gegen die heiße Luft abpuffert. Zunächst aber müssen die Bagger anhalten - jetzt!

Gerade ist die Verfilmung Deines Bestsellers Das geheime Leben der Bäume in den Kinos. Wie der Titel schon verrät, erzählt der Film davon, wie Bäume zusammenleben und sich sogar selbst regenerieren können. Er erzählt aber auch davon wie schlecht Menschen manche Wälder behandeln. Mit Blick auf den Hambacher Forst, glaubst Du Deutschland hat ein Problem mit der Wertschätzung von Baum und Wald?

Momentan hat eher die Politik ein Problem. Unsere aktuelle Bundesregierung sieht den Wald immer noch hauptsächlich als eine Art Maschine, die Holz produziert und Klimaleistungen bereitstellt. Dass es sich aber in erster Linie um ein wundervolles, schlecht erforschtes Ökosystem handelt, zeigt sich in Gesetzen und Verordnungen leider wenig. In der Bevölkerung ist das schon anders: Mehr und mehr Menschen setzen sich für die Wälder vor ihrer Haustür ein, wie die wachsende Zahl von Wald-Bürgerinitiativen zeigt.

Was sind neben Hambi noch andere Krisengebiete in Deutschland, wo so besondere Wälder bedroht sind?

Da gibt es eine ganze Menge. Beispielhaft seien Steigerwald und Spessart benannt, zwei große alte Laubwälder, die die bayerischen Staatsforsten unbedingt weiter ausbeuten möchten. Dabei sind solche Wälder nur noch im Promillebereich vorhanden.

Vielen Dank an Peter Wohlleben für das Interview!

Hintergrundinformationen zum Hambacher Forst


Den Hambacher Wald gibt es schon sehr sehr lange. Aber erst in den letzten 2 Jahren wurde er neben dem Schwarzwald zu einem der prominentesten Wälder Deutschlands. Die RWE AG (ehemals Rheinbraun AG) hat die Fläche in den 1970er Jahren zum Abbau von Kohle erworben und seitdem wird fleißig gebaggert. Was früher ein großer Teil des Hambacher Waldes war, ist heute Europas größte Kohlegrube, der Tagebau Hambach.

Im Kontext der Klimakrise und der Energiewende hat sich die bereits aktivistisch gefärbte Debatte um den Hambacher Forst 2018 enorm aufgeheizt. Der Wald war plötzlich in allen Medien und der breiten Bevölkerung zum Symbol für Klimaaktivismus, Klima- und Umweltschutz, sowie erneuerbare Energien geworden. Als solches Symbol sollte Hambi erhalten werden und gleichzeitig der Ausbau der RWE Kohlegrube gestoppt werden, um den deutschlandweiten Kohleausstieg einzuläuten.

Im Herbst 2018 wurde gerichtlich beschlossen, dass der Wald als Biotop für bedrohte Tierarten vorerst nicht gerodet werden dürfe. Wir von Ecosia haben damals RWE angeboten den verbleibenden Wald für 1 Mio. € abzukaufen. Nachdem RWE das Angebot und weitere Verhandlungen ablehnte, blieb der Wald in deren Eigentum. Immer wieder wurde weiter an den Wald herangebaggert und besetzende Aktivisten und Aktivistinnen teilweise gewalttätig entfernt.

Im Zuge des Kohleausstiegsgesetz muss RWE nun garantieren, den Hambacher Forst stehen zu lassen. Hambi darf also bleiben! Ist es nicht das, was wir die ganze Zeit wollten? Wie Peter Wohlleben in dem obenstehenden Interview erklärt, ist der Wald weiterhin stark gefährdet. Deshalb und auch weil der Ausbau des Tagebaus Hambach weitergeht, wodurch Dörfer geräumt werden müssen, bleiben die Jubelschreie aus.

Was ist Deine Meinung?

Was meinst Du, sollte RWE sich um den Schutz und die Pflege des Waldes bemühen? Oder findest Du, dass man nicht mehr als den Rodungsstopp von ihnen erwarten kann? Schreib es uns in die Kommentare.

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