Der Guardian hat in Zusammenarbeit mit dem Climate Accountability Institute aufgedeckt, dass 20 Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie als Hauptverursacher der Klimakrise zu betrachten sind. Ecosia wird diese Unternehmen (sowie auch andere Verantwortliche) mit einem Kohlekraftwerk-Icon kennzeichnen:
Umweltfreundliche Organisationen hingegen werden mit einem grünen Blatt versehen.
Wir haben mit Jonathan Watts, dem Leiter der Umweltredaktion des Guardian, gesprochen. Er hat kürzlich einen Artikel veröffentlicht, in dem die 20 Unternehmen aufgeführt sind, die als die Hauptverantwortlichen der Klimakatastrophe zu betrachten sind.
Ecosia: Sie haben aufgedeckt, dass 20 Unternehmen für ein Drittel aller CO2-Emissionen weltweit verantwortlich sind. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen bei dieser Erkenntnis?
Jonathan Watts: Ich halte es für katastrophal, dass ein Drittel aller CO2-Emissionen auf nur 20 Unternehmen zurückzuführen sind. Es ist deshalb so katastrophal, weil deutlich wird, dass das Problem sich auf eine Branche konzentriert und diese Unternehmen sich schon vor fünfzig Jahren oder länger der Tragweite ihres Tuns mehr oder weniger bewusst waren.
Gleichzeitig ist es ermutigend, weil es die Kernfaktoren eingrenzt und somit die eigentlichen Problemursachen. Das Kernproblem anzugehen und es mit 20 Unternehmen aufzunehmen ist sicherlich effizienter, als die mehr als 7 Milliarden Menschen auf unserem Planeten zu aktivem Handeln zu motivieren. Es ist vergleichbar mit einer Brandbekämpfung: Man kann ein Feuer nur löschen, indem man zum Brandherd vordringt. Ich denke, im vorliegenden Fall ist die Klimakrise das Feuer, und diese 20 Unternehmen sind der Brandherd.
Nach welchen Kriterien haben Sie diese Liste erstellt?
Wir haben einen Spezialisten hinzugezogen, Richard Heede vom US-amerikanischen Climate Accountability Institute. Dieses Institut leistet hervorragende Arbeit, indem es sich bemüht, nachzuvollziehen, wer welche Emissionen verursacht. Das ist keine leichte Aufgabe. Richard Heede hat sehr lange daran gearbeitet und wurde hierbei von einem großen Team mit vielen freiwilligen Helfern unterstützt. Sie haben überall auf der Welt Bibliotheken nach alten Unternehmensprospekten durchforstet, um nachzuvollziehen, was die einzelnen Gesellschaften in welchem Jahr gesagt oder getan haben. Es war also eine extrem komplexe Aufgabe mit unzähligen Datenpunkten. Heede hat sich dieser Aufgabe verschrieben und diese einzigartige Liste ausgearbeitet, die die Verantwortung für die Klimakrise neu bewertet. Das heißt nicht, dass Konsumenten und Endverbraucher nicht mitverantwortlich wären – wir alle tragen unseren Teil zur Umweltkrise bei. Allerdings lässt sich daraus ableiten, dass jene Unternehmen, die am meisten profitiert haben und sich der Konsequenzen ihres Handelns am längsten bewusst sind, stärker in die Pflicht genommen werden müssen.
Haben die Unternehmen auf der Liste viele Gemeinsamkeiten?
Ich denke, man kann die Unternehmen in zwei Hauptgruppen und einige weitere Untergruppen einteilen. Von den 20 Unternehmen, die die Liste anführen, sind 17 Öl- und Gasgesellschaften. Die drei anderen sind primär in der Kohleindustrie tätig. Der Brennstoff ist also schon mal ein Unterscheidungsmerkmal. Im Petrochemie-Sektor stehen die privaten Unternehmen aus dem kapitalistischen Westen ganz vorne. Unter ihnen sind die historisch betrachtet größten Verursacher Chevron und ExxonMobil aus den USA, Shell aus den Niederlanden und BP aus dem Vereinigten Königreich. Rückblickend tragen sie eine gewaltige Verantwortung. Dann folgen die staatlichen Öl- und Gasgesellschaften, die aktuell das größte Wachstum verzeichnen, Unternehmen wie Saudi Aramco, die Iranian Oil Company sowie Ölgesellschaften in Venezuela, Kuwait und anderswo. Diese operieren auf andere Weise.
In gewisser Hinsicht ist es einfacher, Druck auf die privaten Unternehmen auszuüben, weil sie zumeist in Demokratien ansässig sind, sodass man sie mithilfe der freien Medien, der Aktionäre und des politischen Systems in Zugzwang bringen kann. Das ist bei staatlichen Unternehmen schwieriger, weil diese für gewöhnlich von undemokratischen Regimes und weniger transparent betrieben werden, insbesondere in Ländern wie China oder Russland, wo es deutlich schwieriger ist, Hebel einzusetzen, die bei Unternehmen wie BP oder Shell greifen.
Wir haben aber auch völlig neue Akteure identifiziert, die im Bereich Schiefergas und Schieferöl tätig sind, vor allem in den USA und insbesondere im texanischen Permbecken. Dieser Zweig wird in den nächsten zehn Jahren weltweit das größte Wachstum verzeichnen. Einigen Hochrechnungen zufolge wird die Ölproduktion in Texas bis 2030 jene Saudi-Arabiens übersteigen.
Sie haben diese Information im The Guardian veröffentlicht, und wir werden sie auf unserer Suchmaschine veröffentlichen. Warum sollten alle hierüber Bescheid wissen?
Ich denke, es ist wichtig, dass die Leute darüber sprechen, dass sie nicht denken, dass gerade etwas Schreckliches passiert, sie aber doch nichts dagegen tun können. Ja, es ist wichtig, sich darüber bewusst zu sein, dass etwas Schreckliches geschieht – es ist wichtig, sich Sorgen zu machen, große Sorgen. Aber es ist ebenso wichtig, nicht in Panik davonzulaufen, sondern über Lösungen nachzudenken.
Und ich denke, dass der effektivste Weg, mit der Klimakrise umzugehen, nicht darin besteht, nur sich selbst die Schuld zu geben, sondern sich auf die Politik zu fokussieren, auf bestimmte Unternehmen und ganz bestimmte Teile aus den Bereichen Finanzen, Recht und Medien. Weniger Fleisch zu essen und weniger oft zu fliegen ist sicherlich sinnvoll, aber dieser Einsatz wird wirkungslos verpuffen, wenn wir nicht auf politischer Ebene Veränderungen herbeiführen, die einen Wandel im Energie- und Finanzsektor sowie in einigen anderen Bereichen der Gesellschaft bewirken.